Wärmeleitfähigkeitsmessungen am Bohrkern, Foto: Heat Harvest-Konsortium

Wärmeleitfähigkeitsmessungen am Bohrkern, Foto: Heat Harvest-Konsortium

„Ernte“ von solarer Abwärme im urbanen Raum
Heat Harvest

Die Auswirkungen des Klimawandels sind vor allem in den Städten, u. a. durch den „Urban Heat Island“-Effekt (UHI) stark zu spüren. Höhere Durchschnittstemperaturen führen in dicht bebauten innerstädtischen Gebieten vermehrt zu städtischen Wärmeinseln. Aufgeheizte Gebäude und Infrastrukturflächen (Straßen, Gehwege, Plätze) erzeugen einen Wärmeüberschuss, der in Kombination mit der verringerten Luftzirkulation und der Luftverschmutzung ein großes Gesundheitsrisiko für die Bewohner:innen darstellt. Grün- und/oder Wasserflächen sowie Straßen- und Gebäudebegrünungen können dazu beitragen, den UHI zu reduzieren. Diese Maßnahmen werden in vielen Städten zwar schon umgesetzt, sie sind allerdings nicht überall oder nicht in ausreichendem Maße möglich.

Neuer Lösungsansatz

Ein innovatives Konzept, um die Entstehung von Wärmeinseln zu vermeiden, ist die „Ernte“ solarer urbaner Überschusswärme von Gebäudeoberflächen, Gehwegen, Straßen und Plätzen durch flach verlegte Absorberleitungen. Die gesammelte Wärme soll danach in Erdsondenspeicher eingebracht werden und später als Wärmequelle für Gebäudeheizungen zur Verfügung stehen. Aufgrund des hohen Temperaturniveaus urbaner Oberflächen von bis zu 50 °C ist mit Vorlauftemperaturen in den Speicher von bis zu 40 °C zu rechnen. Die Untergrundtemperaturen von Städten sind allerdings durch die Bebauung und Nutzung generell schon erhöht. Um zusätzlich Abwärme zur saisonalen Speicherung einbringen und Wärmepumpen integrieren zu können, sind genaue Berechnungen und Simulationen erforderlich.  Hier setzt das Projekt Heat Harvest an, das unter der Leitung von AIT Austrian Institute of Technology in Kooperation mit der Geologischen Bundesanstalt und der TERRA Umwelttechnik GmbH durchgeführt wurde.

Analyse der thermischen Auswirkungen im Untergrund

Im Rahmen des Projekts wurde umfassend untersucht, wie sich das thermische Verhalten des Untergrunds verändert, wenn solare urbane Abwärme in Erdsondenspeicher eingetragen wird. Dazu wurde das 2019 neu errichtete Erdsonden-Testfeld der Geologischen Bundesanstalt in Wien verwendet. Begleitend wurden am AIT Laborexperimente sowie Simulationen unter verschiedenen Voraussetzungen durchgeführt. Ziel war es, die passenden Rahmenbedingungen für die Ernte von solarer Abwärme im urbanen Raum auszuloten. Mit den Tests und Analysen wurde die technologische Basis für die Umsetzung des Konzepts gelegt.

HeatHarvest-Konzept, Grafik: HeatHarvest-Konsortium
HeatHarvest-Konzept, Grafik: HeatHarvest-Konsortium

Vielversprechende Ergebnisse

Die Untersuchungen zeigen, dass bei geologisch geeignetem Untergrund auch höhere Temperaturen ohne negative thermische Auswirkungen in Erdsondenspeicher eingebracht werden können. Die dafür geeignete Geologie ist ein Ton-Schluff-dominiertes System wie es z. B. für das Wiener Stadtgebiet südlich der Donau typisch ist. Eine genaue Kenntnis des Untergrunds (Aufbau, Grundwasser, Wärmeleitfähigkeit, Wärmekapazität, etc.) ist für eine korrekte Planung und den effizienten Betrieb eines Erdsondenspeichers notwendig. Die saisonale Wärmespeicherung in Erdsondenfeldern ist eine platzsparende und unsichtbare Technologie, die sich gerade für dicht verbaute Gebiete anbietet. Die höhere Einspeisetemperatur (bis zu 40 °C statt der üblichen maximal 30 °C) führt zu einer deutlichen Erhöhung der Übertragungsleistung der Sonde, aber nicht zur exzessiven Erwärmung des Untergrunds. Die innovativeTechnologie hat hohes Potenzial zur Reduzierung des Urban Heat Island-Effekts.Gleichzeitig führt das Konzept zu einer Effizienzsteigerung im Heizbetrieb und leistet somit einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Raumwärme. Zielgruppe für das innovative Konzept sind Bauträger, Gebäudebetreiber, Kommunen sowie Industrie- und Infrastrukturbetriebe, mit großen Nutzflächen. Auch für die Nachrüstung von (denkmalgeschützten) Bestandsgebäuden stellt die Gewinnung von solarer Überschusswärme eine interessante Option dar.
nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/projekte/heat-harvest.php

100 % erneuerbare Wärme- und Kälteversorgung im sozialen Wohnbau

Aktuell wird für ein Wohnbau- und Demonstrationsprojekt in der Käthe-Dorsch-Gasse in 1140 Wien ein innovatives haustechnisches Umsetzungskonzept erarbeitet, das die Erkenntnisse aus dem Projekt „Heat Harvest“ nutzen wird. Für den großvolumigen sozialen Wohnbau mit ca. 300 Wohneinheiten (errichtet vom Bauträger WBV-GPA – Wohnbauvereinigung für Privatangestellte) soll eine zu 100 % erneuerbare (Vor-Ort)-Wärme- und Kälteversorgung mit gleichzeitig gutem Wohnkomfort realisiert werden.1

Abb.: RGE-KDG Christoph Lechner & Partner ZT GmbH, Berger+Parkkinen Architekten ZT GmbH, Rendering: Isochrom
Abb.: RGE-KDG Christoph Lechner & Partner ZT GmbH, Berger+Parkkinen Architekten ZT GmbH, Rendering: Isochrom

Das Gesamtsystem verbindet innovative Technologien, die in dieser Kombination und Größenordnung erstmals im sozialen Wohnbau zur Anwendung kommen. Dazu zählen Geothermie mit Sondenfeldregeneration, Wärme- und Kälteabgabe über Bauteilaktivierung, Free Cooling, Brauchwasserwärmerückgewinnung sowie eine PV-Anlage zur Deckung eines großen Teils des Strombedarfs der haustechnischen Anlagen sowie des Allgemeinstrombedarfs. Das Konzept sieht vor, Asphalt-Kollektoren sowie auf dem Dach montierte (unverglaste) Flachkollektoren zu integrieren. In einem Erdsondenfeld sollen sowohl solare Wärme  als auch  Abwärme aus der Kühlung der Wohnungen gespeichert werden. Im Rahmen des Projekts wird u. a. auch ein Performancevergleich der Solar- und der Asphaltkollektoren durchgeführt werden.
nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/projekte/sozial-100-prozent-erneuerbar.php
 
1 Projektpartner: Schöberl und Pöll GmbH (Projektleitung), WBV-GPA – Wohnbauvereinigung für Privatangestellte, AIT Austrian Institute of Technology GmbH

 

  • Bohrung der Test-Erdwärmesonde, Foto: Heat Harvest-Konsortium
    Bohrung der Test-Erdwärmesonde, Foto: Heat Harvest-Konsortium
  • Asphaltkollektoren, Foto: Ooms Producten
    Asphaltkollektoren, Foto: Ooms Producten