Foto: Fotodienst/Christian Mikes

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Wärmepumpentechnologie für industrielle Prozesse
Veronika Wilk, Austrian Institute of Technology

Bei der Transformation der Industrie hin zur Klimaneutralität ist die Bereitstellung von Prozesswärme ein Schlüsselthema. In vielen Industriezweigen wird Wärme in Form von heißer Luft oder Dampf mit hohen Temperaturen für unterschiedliche Produktionsschritte benötigt.

Veronika Wilk forscht mit ihrem Team am AIT – Austrian Institute of Technology zum Thema Dekarbonisierung der thermischen Prozesse in der Industrie. Sie beschäftigt sich u. a. mit der Analyse von Abwärmepotenzialen und der Frage, wie erneuerbare Wärme im Produktionsprozess effizient und mehrfach genutzt werden kann. Die Wärmepumpentechnologie, die bisher in der Industrie noch kaum verbreitet ist, könnte dabei ein Teil der Lösung sein. „Unsere Forschung bezieht sich auf den Bereich der Hochtemperaturwärmepumpen, denn für die Industrie sind Temperaturen ab ca.100 Grad interessant“, erklärt die Leiterin des Research Field „Efficiency in industrial processes and systems“ am AIT. „In den letzten zehn Jahren hat es wichtige Weiterentwicklungen gegeben, um das Temperaturniveau zu erhöhen. Man muss die richtigen Materialien finden, wie z. B. geeignete Kältemittel oder Verdichter, die diese hohen Temperaturen aushalten. Außerdem ist es ganz wichtig, mit der Industrie zu kooperieren und mit möglichst vielen Betriebsstunden den Zuverlässigkeitsnachweis für die neue Technologie zu erbringen.“
 
Mit erneuerbaren Energietechnologien ist Veronika Wilk aufgewachsen, ihr Vater arbeitete im Photovoltaikbereich und auch in der Schule wurde viel darüber diskutiert. Ihr Interesse für Umweltschutz und erneuerbare Energie war dann die Motivation für das Studium der Verfahrenstechnik – eine Kombination aus Maschinenbau und Technischer Chemie, mit Orientierung hin zu großen technischen Anlagen „Meine Dissertation habe ich zum Thema Gaserzeugung aus Abfall- und Reststoffen geschrieben, ein sehr spannendes Thema, bei dem es um Energie- und Ressourceneffizienz geht“, erzählt Wilk. „Nach dem Studium war ich kurz als PostDoc an der TU Wien beschäftigt, bevor ich 2014 ans AIT gekommen bin. Es war mir damals sehr wichtig, in der angewandten Forschung zu bleiben und an aktuellen Entwicklungen zu arbeiten. Das große Thema Energie- und Ressourceneffizienz beschäftigt mich auch heute, aber nun aus einer etwas anderen Perspektive – jetzt geht es um Lösungen für die CO2-neutrale Wärmeversorgung in der Industrie.“

Hochtemperaturwärmepumpe für ein Wiener Pharmaunternehmen

Im Rahmen des aktuellen Projekts AHEAD1 wird eine innovative Lösung für die Wärmeversorgung der Prozesse im Pharmaunternehmen Takeda entwickelt und demonstriert. Das Hochtemperaturwärmepumpensystem nutzt Abwärme aus der Kälteversorgung zur Produktion von Dampf und setzt dabei auf Wärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln und Dampfverdichtern. Das System besteht aus einer dampferzeugenden Wärmepumpe von SPH Sustainable Process Heat, die für den Einsatz natürlicher Kältemittel adaptiert und mit Dampfverdichtern kombiniert wird, um Dampf mit 11 bar(a)/184 °C zu erzeugen. Das AHEAD-System ist für die Anforderungen des Pharma-unternehmens ausgelegt, kann aber ohne weitere Entwicklung für Temperaturen von 200-260 °C erweitert werden. Um das AHEAD-System mit minimalem Energiebedarf betreiben zu können, entwickelt Veronika Wilk mit ihrem Team am AIT eine optimierte Betriebsstrategie. Die Inbetriebnahme des Systems ist für Anfang 2025 geplant. „Wir werden den Betrieb dann gemeinsam mit dem Wärmepumpenhersteller weiter wissenschaftlich begleiten, um zu sehen, ob die Anlage so effizient arbeitet, wie wir es erwarten. Auch mit der Regelung und der weiteren Optimierung der Anlage werden wir uns im Rahmen des Projekts beschäftigen“, erläutert die Projektleiterin.
 
Der weltweit tätige Arzneimittelhersteller Takeda strebt an, vor 2035 seine Betriebsstätten mit Netto-Null Treibhausgas-Emissionen zu betreiben. Das Projekt AHEAD ist ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg. Die Hochtemperaturwärmepumpe hat das Potenzial in über sieben Monaten nahezu CO2-neutralen Dampf zu erzeugen. Das ist eine CO2-Einsparung von 1.600 Tonnen pro Jahr. Im Rahmen des Projekts wird auch ein Konzept zum Einsatz des AHEAD-Systems an anderen Takeda-Standorten in Wien und weltweit erarbeitet. Zusätzlich wird das Potenzial der Technologie für die Dekarbonisierung weiterer Sektoren (Papier, Chemie und Petrochemie sowie Lebensmittel) untersucht. Das Demonstrationsprojekt wird damit als Praxistest für österreichische Industriebetriebe aus verschiedenen Branchen dienen.
 
2023 wurde das innovative Konzept mit dem Mission Innovation „Net-Zero Industries Award Österreich“ in der Kategorie „Outstanding Project“ ausgezeichnet.

MEILENSTEINE DES AHEAD-PROJEKTS
> Design der Wärmepumpe und Planung der Einbindung vor Ort bei Takeda
> Versuche am Teststand
> Installation des AHEAD-Systems
> Erstellung des Systemmodells für den optimierten Betrieb
> Inbetriebnahme des Systems
> Evaluierung nach 4000 h Betrieb des AHEAD-Systems
> Erstellung eines Konzepts zur Verbreitung des Systems
> Bestimmung des Dekarbonisierungspotenzials für Österreich

1 Projektkonsortium: AIT Austrian Institute of Technology, SPH Sustainable Process Heat GmbH, Takeda Manufacturing Austria AG

Das Projekt AHEAD ist Teil des Innovationsverbunds NEFI – New Energy for Industry, der die Dekarbonisierung von Industriebetrieben durch Innovation und Technologieentwicklung fördert. www.nefi.at

 

  • Foto: AIT/Krischanz
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