INTERVIEW
Mag. Gregor Götzl

Mag. Gregor Götzl Geologische Bundesanstalt (GBA),  Abteilung Hydrogeologie und Geothermie, Foto: privat
Foto: privat

Mag. Gregor Götzl
Geologische Bundesanstalt (GBA),
Abteilung Hydrogeologie und Geothermie

Die Geologische Bundesanstalt ist an verschiedenen aktuellen Forschungsvorhaben zur Nutzung der Geothermie in Österreich beteiligt. Welche Rolle kann Erdwärme für eine nachhaltige Wärmeversorgung der Zukunft spielen?
Der besondere Reiz der Geothermie besteht in der vielseitigen Anwendbarkeit für thermische Prozesse im Bereich von weniger als 10 °C (Kälte) bis über 150 °C (Gewinnung elektrischer Energie). Die umweltfreundliche und nachhaltige Wärmeversorgung liefert jedoch den bei weitem wichtigsten Beitrag zur Energieversorgung. In den letzten Jahren nimmt auch die Bedeutung der Geothermie für die großvolumige saisonale Wärmespeicherung deutlich zu.
 Verschiedene Anwendungsfelder sind in Hinblick auf eine nachhaltige Wärmeversorgung von Bedeutung:
>  die Klimatisierung größerer Gebäude bzw. renovierter Bestandsgebäude mit Wärmelasten über 20 kW
>  die Vernetzung verschiedener Gebäude bzw. ganzer Areale in so genannten Anergie-Netzen, in welchen die Geothermie, insbesondere Erdwärmesonden, vorrangig als saisonaler
Wärmespeicher eingesetzt werden
>  die umweltfreundliche Kühlung mittels Geothermie bei anschließender Wiedergewinnung der produzierten Abwärme
für Heizzwecke
>  geothermisch unterstützte konventionelle Wärmenetze im Temperaturbereich zwischen 50 °C und 100 °C in Ballungs­räumen
>  geothermische Hochtemperaturspeicher bis ca. 90 °C in Kombination mit konventionellen Wärmenetzen (geologische Wärmespeicher)
>  effiziente Kraft-Wärme-Kopplung in Kombination mit geologischen Wärmespeichern (wenn Thermalwasservorkommen über 100 °C vorhanden sind)
Ein besonderer Anwendungsfall stellt die Nachnutzung ausgedienter Erdöl- und Erdgassonden in Form von Tiefenwärmesonden dar, zumal in Österreich derzeit noch über 1.000 solcher Sonden existieren. Die hierdurch gewonnene Wärme ließe sich zum Beispiel für landwirtschaftliche Zwecke (u. a. für die Beheizung von Glashäusern) einsetzen.
 
Wie können die bestehenden Ressourcen bestmöglich genutzt werden? Wo sehen Sie den größten Forschungs- und Entwicklungsbedarf?
Die Nutzung der Geothermie hat insbesondere in urbanen Gebieten ein hohes Anwendungspotenzial, da sich diese Technologie durch einen geringen Flächenverbrauch an der Oberfläche auszeichnet und keine Emissionen (Abgase, Lärm oder Abwärme) verursacht. Zudem lassen sich sämtliche Anwendungsformen der Geothermie mit Wärme- und Kältenetzen kombinieren. Aus diesem Grund ist F&E-Bedarf für eine bessere Integration der Geothermie in urbane Wärme- und Kälteversorgungskonzepte gegeben. Dies umfasst neben technologischen Entwicklungen (z. B. emissionsarme und platzsparende Bohrverfahren) vor allem die Entwicklung von Planungs- und Bewertungsinstrumenten, um die Ressource Erdwärme in Stadtgebieten bestmöglich bewirtschaften und Umweltauswirkungen minimieren zu können. Begleitend zur Forschung muss hierzu auch ein passender rechtlicher Rahmen geschaffen werden.
Weiterer F&E-Bedarf ist in der Errichtung geologischer Wärmespeicher sowie in der Anwendung petrothermaler Technologien (z. B. Hot Dry Rock) gegeben. Petrothermie besitzt hierbei den großen Vorteil einer geringeren Abhängigkeit von geologischen Rahmenbedingungen, insbesondere dem Vorhandensein von Heißwasservorkommen, und könnte zukünftig komplementär zur traditionellen Nutzung der Hydrogeothermie angewendet werden. Sowohl im Bereich der geologischen Hochtemperatur-Wärmespeicher als auch im Bereich petrothermaler Energiegewinnung fehlen in Österreich noch Pilot- und Demonstrationsanlagen. Es wäre wichtig, diese in den kommenden 10 Jahren zu errichten.