Experteninterview: DI Dr. Franz Latzko
WKO, Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) zu Chancen und Perspektiven der biobasierten Industrie

DI Dr. Franz Latzko, Foto: privat
DI Dr. Franz Latzko, Foto: privat

Biobasierte Produkte, die zum Teil oder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, könnten in Zukunft eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Wie beurteilen Sie die Chancen der biobasierten Industrie für den Standort Österreich?

Die Nutzung von biogenen Rohstoffen ist durchaus bereits heute nennenswert. Einzelne Branchen (Biokraftstoff- und Zelluloseregeneratfaserhersteller sowie Kautschukverarbeiter) sowie einzelne Betriebe der pharmazeutischen Industrie und einige Hersteller von Lebensmittelzusatzstoffen greifen auf biogene Rohstoffe zurück und tragen im zweistelligen Bereich zum gesamten Produktionswert der chemischen Industrie in Österreich bei. Damit besteht bereits ein Erfahrungsvorsprung, den es zu nutzen gilt.

Was sind die größten Herausforderungen für den Ausbau bzw. die Weiterentwicklung der biobasierten Industrie?

Die Entwicklung einer „Biobased Industry“ wirft viele Fragen auf. Eine davon ist jene, ob es für die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten (Energieträger versus Rohstoff) und die damit verknüpften politischen Ziele überhaupt genug Biomasse gibt. Studien sagen aus, dass dies einen Flaschenhals darstellt und weisen gleichzeitig darauf hin, dass die kaskadische Nutzung von Biomasse am meisten Wertschöpfung ergibt. Für die Betriebe ist es besonders wichtig, dass die Rahmenbedingungen für Investitionen stabil bleiben. Und nicht zuletzt muss die Kundschaft die neuen Produkte auch kaufen.

In welchen Bereichen der chemischen Industrie könnten fossile Rohstoffe durch biogene ersetzt werden?

Langfristig ist für den Chemiker im Bereich kohlenstoffbasierter Moleküle keine Grenze zu erkennen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden entscheidend sein. Wie schon erwähnt, sind das die Rohstoffkonkurrenz und die Akzeptanz am Markt. Für anorganische Produkte werden sich die biogenen Rohstoffe allenfalls als Energieträger eignen. Interessant und vielversprechend ist auch die Parallelentwicklung, Kohlendioxid direkt in Syntheseprozessen (Stickwort: Carbon Capture and Reuse) zu verwerten. Das könnte die Frage nach der Verfügbarkeit von Biomasse entschärfen.

Welche Technologien und Verarbeitungsprozesse sind besonders aussichtsreich für die Herstellung von biobasierten Chemikalien?

Zuletzt haben Feinchemikalien aus Algen einen großen Schritt in Richtung Markt geschafft. Auch in der kunststoffverarbeitenden Industrie kommt bereits biobasiertes Material zum Einsatz. An den Aktivitäten der großen deutschen Chemiefirmen ist zu erkennen, dass auch Plattformchemikalien aus Biomasse durchaus Chancen am Markt haben.

Wo sehen Sie Chancen für österreichische Unternehmen auf den internationalen Märkten?

Die Entwicklung wird meiner Ansicht nach zwei Wege nehmen. Jene Firmen, die bereits in herkömmlichen Verfahren biogene Rohstoffe in großem Maßstab einsetzen, werden ihre Erfahrung nutzen und in die Marktentwicklung neuer Produkte investieren. Kleinere Unternehmen werden sich als Nischenplayer profilieren. Nicht zu vergessen in Österreich ist hier auch der Bereich des Maschinenbaus, der auch in diesem Bereich seinen Know-how-Vorsprung vermarkten wird.