Das Stadtentwicklungsgebiet Rothneusiedl befindet sich im Süden von Wien, im 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten. Auf dem 124 ha großen Areal soll ab ca. 2030 ein neuer, zukunftsweisender Stadtteil entstehen. Ziel ist es, leistbares Wohnen, Arbeitsplätze, Freizeit und Erholung sowie hohe Lebensqualität im Zeichen von Klimaschutz, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft zu realisieren. Der Planungsprozess wird aktuell durch ein New European Bauhaus-Projekt begleitet.
Mit Rothneusiedl soll der Zersiedelung entgegengewirkt und ein nachhaltiges Konzept für eine „Stadt der kurzen Wege“ für 21.000 Bewohner:innen umgesetzt werden.1 Rund 65 % der Flächen befinden sich im Besitz des wohnfonds_wien. Die restlichen Flächen wurden von gemeinnützigen und gewerblichen Bauträgern gekauft. In der „Rothneusiedl Charta“ (Stadt Wien 2021)2 sind neun Prinzipien festgeschrieben, die den Stadtteil in vielen Dimensionen – von der erneuerbaren Energiebereitstellung, über das Regenwassermanagement, die umweltfreundliche Mobilität bis hin zur Integration lokaler Prägungen – klimagerecht und inklusiv machen sollen. Neben der Schaffung von modernem, leistbaren Wohnraum ist die Ansiedlung eines Wirtschafts- und Businessclusters sowie von Betrieben mit einem Potenzial von rund 8.000 Arbeitsplätzen vorgesehen.
Grünraum und Artenvielfalt erhalten
Rothneusiedl ist seit jeher stark von der landwirtschaftlichen Nutzung geprägt und eng mit dieser verknüpft. Bis heute sind die Strukturen im Kontext der Agrarwirtschaft großteils erhalten geblieben und in der Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung verankert. Der historische „Zukunftshof“ wird auch im neuen Stadtquartier als Anlaufstelle für Stadtlandwirtschaft und als Nachbarschaftszentrum fungieren. Zu den übergeordneten Zielsetzungen zählt die Erhaltung des hochwertigen Grünraums. Daher wird es in Rothneusiedl 40 ha klimawirksame Grün- und Freiräume geben.
Erneuerbare Energie und Ressourcenschonung
Im neuen Stadtteil sollen erneuerbare Energieträger und ein umfassendes Regenwassermanagement zum Einsatz kommen. Dach- und Fassadenbegrünungen sowie unversiegelte Flächen im Straßenraum werden zur Klimawandelanpassung beitragen. Das konsequente Anwenden des Kreislaufprinzips in allen Bereichen hilft das Wachstum vom Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe zu entkoppeln. Materialien und Stoffe sollen so eingesetzt werden, dass sie möglichst lange als Produkte in Verwendung bleiben und am Nutzungsende für zukünftige Produktionsprozesse zurückgewonnen werden können.
Voneinander und miteinander lernen
Die in der Rothneusiedl-Charta festgeschriebenen Prinzipien enthalten durchaus kontroverse Maßnahmen, wie z. B. das Ziel, die innere Erschließung des Quartiers weitestgehend autofrei zu gestalten. Damit ein neues urbanes Miteinander von Leben, Wohnen und Wirtschaften entstehen kann, brauchen die zukünftigen Bewohner:innen und Betriebe des Stadtteils sowie die im Bereich Planung und Bau tätigen Akteur:innen ein gemeinsames Fundament. Dazu wurde ein dialogischer, integrierter Prozess entworfen, der viele unterschiedliche Fragestellungen zusammenführt und die diversen Zielgruppen frühzeitig in den Planungsprozess involviert.
Innovativer Planungsprozess
Im Jahr 2023 wurde ein städtebaulicher und freiraumplanerischer Wettbewerb gestartet, der vergaberechtlich als wettbewerblicher Dialog gestaltet wurde. Dieses Verfahren ermöglicht es, städtebauliche Projekte integriert zu betrachten, indem verschiedene Zielsetzungen wie bauliche Dichte, städtebauliche und architektonische Qualität, Grün- und Freiraum, Verkehr und Mobilität, öffentlicher Raum, technische sowie grün-blaue Infrastruktur, Klimaschutz, Klimawandelanpassung und Kreislaufwirtschaft zu- und miteinander diskutiert werden. Vor jedem wichtigen planerischen Schritt wurde und wird die Bevölkerung im Rahmen von Veranstaltungen oder Online-Befragungen eingebunden, um Anregungen für die weitere Bearbeitung zu geben. Zusätzlich wurde das Zukunftsteam RothNEUsiedl gegründet, das aus insgesamt 21 Personen besteht, darunter 14 geloste Bürger:innen aus der unmittelbaren Nachbarschaft und aus dem gesamten Stadtgebiet sowie 7 Vertreter:innen aus Bürger:inneninitiativen, Landwirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Aktuell wird das städtebauliche Leitbild entwickelt, das die Grundlage für den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan bildet.
Prinzipien des New European Bauhaus anwenden
Mit dem Projekt NEB-RothNEUsiedl3 wird der aktuell laufende Leitbildprozess begleitet. Dabei werden die NEB-Arbeitsprinzipien angewendet, um eine lebendige Baukultur zu entwickeln und die Akzeptanz für neue Formen klimagerechten Zusammenlebens im Stadtteil zu stärken. Voraussetzung dafür ist ein offener Diskurs über Sorgen und Vorbehalte gegenüber den bestehenden Zielsetzungen im Stadtteil. Das Projekt nutzt ein breites Spektrum an unterschiedlichen Formaten. Expert:innen-Interviews dienen dazu, Eckpunkte eines zeitgemäßen Verständnisses von Baukultur auf der Ebene des Stadtteils abzustecken. Sogenannte NEB-Foren4 werden als große öffentliche Veranstaltungen abgehalten. Themenworkshops bilden den inhaltlichen Kern und öffnen den Diskurs zu den Expert:innen für die Umsetzung vor Ort. Durch Schnittstellen-Meetings wird sichergestellt, dass die erarbeiteten Ergebnisse in den parallel laufenden Leitbildprozess einfließen. Das zentrale Ergebnis des Projekts wird der NEB-Kompass RothNEUsiedl sein, in dem die zentralen Aspekte eines gemeinsamen Verständnisses der lokalen Baukultur formuliert werden.
klimaneutralestadt.at/de/projekte/tiks/10-rothneusiedl.php
initiative-bauhaus.at/fit4neb-vorbereitung-auf-die-geplante-eu-mission-new-european-bauhaus
1 Im Stadtentwicklungsplan (STEP) 1994 wurde das Planungsgebiet erstmals als geplanter Siedlungsbereich vorgestellt. Darauf aufbauend wurde der Standort als eines der 13 Zielgebiete im Rahmen des STEP 2005 definiert. Im STEP 2025 wurde das Areal konkret als „Potentialfläche für Wohnen und Arbeiten“ ausgewiesen. Wichtige Zielsetzungen für den Süden Favoritens und damit auch für Rothneusiedl wurden auch im Stadtteilentwicklungskonzept Südraum Favoriten 2019 (SEK) festgelegt.
2 rothneusiedl.wienwirdwow.at/wp-content/uploads/2023/02/stek-rothneusiedl-2021.pdf
3 Projekpartner:innen: Wohnfonds – Wiener Stadtwerke Entwicklungs GmbH („WWEG“) (Projektleitung), Magistratsabteilung MA 21 A – Stadtteilplanung und Flächenwidmung, Raumposition OG, MOURA. Mobilität und Raum e.U., future.lab Plattform für inter- und transdisziplinäre Lehre und Forschung – TU Wien
4 veranstaltet von climatelab.at